Das deutsche Einkommensteuergesetz (EStG) hat seinen Ursprung im Jahr 1934 – eingeführt unter der nationalsozialistischen Regierung. Es wurde seitdem mehrfach geändert und angepasst, ist jedoch in seinen Grundstrukturen bis heute in Kraft. Damit stammt ein zentrales Gesetz unserer Gegenwart aus einer Zeit, in der das demokratische Prinzip systematisch abgeschafft wurde.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs forderten die Alliierten die umfassende Entnazifizierung Deutschlands. Das betraf nicht nur Personen in Ämtern, sondern auch die rechtlichen Strukturen. Trotzdem wurden viele Gesetze aus der NS-Zeit nicht vollständig abgeschafft, sondern juristisch “fortgeschrieben”.
Auch das Einkommensteuergesetz wurde in der BRD nicht durch ein komplett neues Gesetz ersetzt, sondern mit Änderungen versehen und weiterverwendet. Es wurde auf demokratische Prinzipien angepasst, doch die ursprüngliche Struktur blieb erhalten.
Besonders brisant ist die Einführung des Einführungsgesetzes zum Ordnungswidrigkeitengesetz (EGOWiG) im Jahr 1968. Diese Gesetzesänderung führte dazu, dass bestimmte NS-Verbrechen – insbesondere solche, die als “Totschlag” gewertet wurden – nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden konnten, weil sie verjährt waren.
Ein prominentes Beispiel ist der Fall Collini, bekannt aus dem gleichnamigen Roman von Ferdinand von Schirach. In diesem Fall wird deutlich, wie durch ein scheinbar technisches Gesetz NS-Täter nachträglich vor Strafe bewahrt wurden – ohne öffentliche Debatte oder Bewusstsein in der Bevölkerung.
Statt Aufarbeitung wurde somit vielfach Verdrängung durch juristische Konstruktion betrieben.
Aus rein juristischer Sicht ist das Einkommensteuergesetz heute gültig. Es wurde mehrfach durch demokratische Verfahren bestätigt und geändert. Doch aus historisch-ethischer Perspektive stellt sich die Frage: Wie kann ein Gesetz aus einer Diktatur in einer freiheitlichen Demokratie Bestand haben? Dass zusätzlich Gesetze wie das EGOWiG stillschweigend NS-Verbrechen entschärften, ist ein weiteres Signal struktureller Kontinuität.
Das widerspricht dem tiefen Anspruch einer vollständigen Abgrenzung vom nationalsozialistischen Staat. Es nährt Zweifel am Reformwillen des Staates und wirft Fragen nach der echten Souveränität und Transparenz auf.
Wir sagen: Recht braucht nicht nur Gültigkeit – es braucht auch Legitimität. Ein Gesetz, das in seiner Wurzel aus einem Unrechtsstaat stammt, gehört grundlegend erneuert. Und ein Staat, der Täter schützt, indem er Gesetze so formuliert, dass Gerechtigkeit unmöglich wird, muss sich seiner Geschichte ehrlich stellen.
Wir fordern:
Denn in einer echten Demokratie darf das Fundament unseres Rechts nicht auf einem Erbe der Unterdrückung stehen.
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